Anna und Kjell sprechen über ihre Strategien beim Kennenlernen von neuen Menschen mit romantischem und sexuellem Hintergrund. Sie überlegen, wie dabei eine Behinderung nicht als abschreckend wahrgenommen werden kann und ob man Abstriche bei der Partnerwahl machen muss, wenn der eigene Dating-Pool als begrenzt wahrgenommen wird.
Erwähnte Karikatur über das Internet: https://en.wikipedia.org/wiki/On_the_Internet,_nobody_knows_you%27re_a_dog
Transkript
Kjell: Hallo und herzlich Willkommen zu Rollirotik, dem Podcast zu Sexualität und Behinderung. Heute sprechen wir über das Thema Dating. Ich bin Kjell und bei mir ist heute auch wieder die Anna.
Anna: Hallo, Kjell!
Kjell: Hi! Ja, wir hatten ja schon einmal darüber gesprochen, dass interabled Beziehungen bei fremden Menschen häufig auf Erstaunen treffen. Da gibt es vielleicht die These, dass es von der Annahme kommt, dass Behinderte sich schwertun, einen Partner zu finden. Dass es trotzdem geht, zeigen ja die Erfahrungen, die Anna, ich, aber auf viele andere Menschen, die wir kennen, gemacht haben. Wenn du, Anna, aus naheliegenden Gründen jetzt einen behinderten Mann kennenlernen wollen würdest, wie gehst du denn da vor?
Anna: Ja, dann muss man ja zuerst mal sagen, dass die meisten, die sich jetzt auf Partnersuche befinden, wahrscheinlich nicht explizit nach Menschen mit Behinderung suchen. Aber wenn ich das jetzt machen wollen würde – ganz hypothetisch gesehen – , nee, klar hab ich natürlich auch gemacht, dann ist meine erste Anlaufstelle auf jeden Fall das Internet, weil das einfach im echten Leben, also auf einer Party oder in anderen klassischen Umgebung für Offline-Dating so ist, dass man ja vermutlich eher selten Menschen mit Behinderung dort betrifft. Und dementsprechend habe ich auch über die Jahre einige Erfahrungen mit verschiedenen Online-Plattformen gesammelt und dort habe ich dann auch behinderte Männer kennengelernt.
Kjell: Ja, online wär für mich wahrscheinlich auch ein probates Mittel zum Kennenlernen, also gerade jetzt in der Pandemie ist es natürlich auch sehr schwierig gewesen, einfach mal in irgendeine Bar zu gehen und da jemanden kennenzulernen. Ich muss allerdings sagen, dass ich so diese klassischen Dating-Plattformen nicht so gerne mag. Ich hatte eine zeitlang mal ein Profil auf Handicap Love. Das ist ja eine Online-Dating-Plattform für Menschen mit Behinderung. Ich muss sagen, ich hab da keine guten Erfahrungen gemacht. Erstmal musste ich da irgendwie Geld für bezahlen und dann hab ich da Leuten Nachrichten geschrieben und hab eigentlich keine wirklichen Antworten bekommen. Und die Antworten, die ich bekommen habe, die waren irgendwie auch sehr, sehr seltsam und ich hatte nicht den Eindruck, dass da jetzt irgendwie signifikant hohe Menge an Menschen wäre, die jetzt irgendwie ein großes Interesse daran hätten, mit mir in Austausch zu gehen. So von daher, ich hab da irgendwie nicht das Gefühl gehabt, dass das so mein Weg ist, um Menschen kennenzulernen. Wie sind denn deine Erfahrungen, Anna?
Anna: Ja, Handicap Love ist ja relativ bekannt und wird in dem Zusammenhang oft diskutiert. Um dem Ganzen jetzt mal so ein bisschen eine Lanze zu brechen: Also Männer müssen auch auf anderen Dating-Plattformen bezahlen, um sie nutzen zu können. Das ist eigentlich nicht so unüblich und da sind die Preise bei Handicap Love wahrscheinlich noch human. Allerdings hab ich selbst Handicap Love eine relativ lange Zeit vermieden. Also ich wusste schon sehr lange, dass es das gibt und hab mir die Seite auch immer mal angeschaut, aber ich hab mich sehr lange nicht angemeldet. Weil ich eben wusste und auch gelesen habe, dass Devs da zumindest in den Diskussionen nicht so gern gesehen sind, dass es da viel Kritik gab. Inzwischen habe ich mich da allerdings auch mal umgesehen und klar ist Handicap Love ein Anziehungspunkt für Devs, das muss man so sagen. Also das kann man vielleicht auch daran sehen, dass, als ich mich dann dort angemeldet hatte, ich eher andere Devs kennengelernt habe als Männer mit Behinderung. Handicap Love ist halt so ein Tool, das ist für Männer eher auf Masse ausgerichtet und nicht so individuell. Also den größten Erfolg versprechen sich einige dann davon, dieselbe Nachricht an eine größere Zahl Frauen zu schicken. Das ist einfach meine Erfahrung da gewesen, aber neben Handicap Love gibt es natürlich auch noch andere klassische, nicht primär behinderungsbezogene Plattformen, um Partner kennenzulernen. Ich war da einige Zeit auf Joyclub, das ist eigentlich eine Kontaktseite für Sexualpartner-Suche, nicht so sehr jetzt für die Lebenspartnersuche, vielleicht. Aber da war ich aktiv und da hat es tatsächlich mit dem Kennenlernen viel besser funktioniert. Klar, da findet man nicht den Partner fürs Leben. Es ist mir dort auf jeden Fall leichter gefallen, andere Menschen kennenzulernen und auch da ist es dann zu einigen Treffen im echten Leben gekommen. Neben dieser Plattform höre ich oft Positives über OkCupid. Das habe ich selbst noch nicht ausprobiert. Aber zumindest die Handhabung soll da ganz gut sein.
Kjell: Ja, OkCupid, das wäre jetzt vielleicht auch sowas wie Parship oder Ähnliches, einfach Plattformen für Menschen um sich kennenzulernen, jetzt ganz ohne irgendeinen Bezug zu Behinderung. Und ich höre jetzt häufig von Behinderten, die dort überlegen, sich ein Profil anzulegen, die Frage, wie sie denn da mit Ihrer Behinderung umgehen sollen, das ist ja ein bisschen unklar. Ich habe da immer diesen Comic im Kopf, ich weiß nicht, Anna, ob du den kennst, aus der New York Times war es, glaube ich. Eine der ersten Karikaturen über das Internet mit der Aussage “On the internet, nobody knows you’re a dog.” – “Im Internet weiß keiner, dass du ein Hund bist.”
Anna: Den Comic können wir mal in den Shownotes verlinken.
Kjell: Sehr gut, genau. Und tatsächlich gilt es, glaub ich, auch für gerade solche Dating-Plattformen. Wir vermitteln da ja ein Außenbild von uns selbst und das kann mehr oder minder zutreffen und das ist eine bewusste Entscheidung, ob ich meine Behinderung dort erwähne oder nicht. Ich habe zumindest die Erfahrung gemacht, dass es Menschen durchaus überrascht, wenn sie mich im echten Leben kennenlernen, wenn sie mich vorher nur virtuell kannten. Mehrere Erfahrungen in meinem Leben, tatsächlich auch über viele Jahre immer wieder erlebt von Menschen, mit denen ich in der Vergangenheit Online-Spiele gespielt habe, über Kollegen auf der Arbeit, die immer nur so einen kleinen Ausschnitt auf der Webcam von mir sehen und dann wirklich überrascht sind, wenn Sie mich im echten Leben sehen und ich dann plötzlich vor ihnen im Rollstuhl sitze, weil das so gar nicht zu dem Erwartungskorridor passt, den die Leute dann mir gegenüber haben. Also, dass ich jetzt eine Behinderung habe, das gehört irgendwie gar nicht so zu dem, was sie jetzt annehmen, wie ich dann vielleicht aussehe oder wie ich vielleicht bin. Klar, das kennt man, wenn man Leute nur online kennengelernt hat, dann sind die im echten Leben vielleicht kleiner, größer, dicker, dünner, als sie jetzt auf der Webcam wirken. Aber dass da jetzt jemand im Rollstuhl ankommt, ist dann doch eher eine Überraschung. Dann ist denke ich, eine berechtigte Frage ja vielleicht an dich auch, Anna: Wie ist denn das für dich, hast du das schon mal erlebt, dass du Leute kennengelernt hast online und die dann plötzlich ganz unerwartet eine Behinderung hatten?
Anna: Mensch, Kjell, verrat doch nicht alle meine Fantasien hier! [lacht] Ja, tatsächlich ist mir das online noch nicht passiert, vielleicht leider, ich weiß nicht, also da hab ich ja, wie beim letzten Mal schon angedeutet, meine sexuellen Präferenzen immer relativ direkt im Profil erwähnt, sodass die Personen, mit denen ich interagiert habe, da auch immer vorgewarnt waren. Ich bin tatsächlich immer dafür, dass man die Profile so ehrlich wie möglich ausfüllt. Zumindest ich hab das immer als ganz guten initialen Filter erlebt, denn was nutzt es mir, die Devness oder vielleicht auch eine Behinderung da im Profil zu verschweigen und dann auf Ablehnung zu stoßen, sobald es ans Tageslicht kommt, weil früher oder später wird es ans Tageslicht kommen und dann fangen halt die Probleme an. Vielleicht. Andererseits kann ich mir auch vorstellen, dass man erstmal seine Persönlichkeit in den Vordergrund stellen möchte, um jetzt nicht von vornherein für Profilinhalte abgelehnt zu werden und vielleicht gar nicht die Chance zu haben, sich mal persönlich kennenzulernen. Das ist keine leichte Entscheidung. Das ist eine Entscheidung, die stark diskutiert wird. Das erlebe ich immer wieder, dass Leute, die einfach Rat suchen, bei der Erstellung ihrer Profile über diese Frage stolpern. Erwähne ich die Behinderung im Profil oder nicht? Und wenn ich sie erwähne, lasse ich das einfach so in einem Nebensatz fallen oder sag ich: Das ist ein wichtiger Teil von mir. Im echten Leben hab ich tatsächlich so eine Überraschung aber schon erlebt, da werden wir dann bei der Offline-Variante vom Dating.
Kjell: Wenn du jetzt Überraschung sagst, was für eine Überraschung denn? Dass da plötzlich jemand eine Behinderung hatte, so von einem Tag auf den anderen, oder wie kann ich mir das vorstellen?
Anna: Naja, so plötzlich war das für ihn sicher nicht, aber ich hab es zumindest vorher nicht gewusst gehabt und es war in einem Kontext jetzt ganz unabhängig von Dating. Da hatte ich mal einen Mann kennengelernt, von dem ich nur den Namen kannte und der dann zu einem Gruppentreffen mit noch anderen Personen gekommen ist. Da war seine Behinderung, die ich dann eben erst vor Ort mitbekommen hatte, schon eine kleine, keine unangenehme, aber eine kleine Überraschung.
Kjell: Ok, verstehe. Ja, ich muss sagen, also persönlich mag ich offline tatsächlich auch lieber, also offline Menschen kennenlernen, offline jetzt vielleicht auch in einem eher ungezwungenen Kontext, was jetzt nicht so typisches Dating ist. Ja, einfach neue Menschen kennenlernen und das macht mir auch Spaß. Ob ich jetzt in einer Bar bin oder auf irgendeiner Konferenz oder bei Freizeitaktivitäten oder im Urlaub. Das ist für mich eigentlich sowas, wo ich den Eindruck habe, da kann man Menschen am natürlichsten begegnen. Da ist dann auch direkt der erste Eindruck da, ich selber würde mich da schwer tun, meine Behinderung irgendwie zu verstecken, das ist ziemlich offensichtlich, wenn man nicht sieht. Aber ich denke halt auch, dass ich da am authentischsten auftrete und Menschen auch erleben, dass ich dann durchaus jemand bin, mit dem man sich auch einfach ganz nett unterhalten kann ohne jetzt irgendwelche großen Hintergedanken zu haben. Und ich denke das gehört so ein bisschen zu dem, was du gerade gesagt hast, Anna, die Möglichkeit zu haben, jemanden erstmal ein bisschen persönlich kennenzulernen. Das fällt mir persönlich zumindest in so einem Umfeld viel, viel leichter. Was ich dann allerdings schwierig finde, ist so die Unterscheidung, ob Menschen jetzt zu mir einfach nur nett sind, weil sie irgendwie das Gefühl haben, sie müssten das jetzt. Man kann das jetzt vielleicht Ableismus oder irgendwas nennen oder so dieses Gefühl, dass manche Menschen scheinbar haben, dass sie sagen, ich will da jetzt irgendwie mal besonders nett zu dem Mann im Rollstuhl sein und das dann abzugrenzen von einem: Da ist jemand an mehr als nur einem netten Gespräch interessiert und versucht vielleicht so ein weitergehendes Interesse zu signalisieren. Wie ist denn das bei dir, Anna? Wie würdest du denn in so einer Situation einem potenziellen Partner signalisieren, dass du interessiert bist?
Anna: Also vor der Pandemie, hatte ich da eine langweilige, aber meist recht wirksame Strategie, und zwar anlächeln. Und zwar möglichst nicht so ein Mitleids-Lächeln, sondern eines mit so einem kleinen sexy Unterton sozusagen. Und das hat auch gut funktioniert in mehreren Fällen. Also wenn ich mal einen attraktiven Mann offline kennengelernt habe, war das immer der erste Schritt. Und ansonsten, wenn das schon mal gut gelaufen ist, man vielleicht auch ein Lächeln zurückbekommen hat, dann eben ins Gespräch kommen, vielleicht mal die ein oder andere zufällig erscheinende Berührung oder einen entsprechenden Kommentar einflechten, wenn man sich dann noch ein bisschen länger unterhalten sollte. Ja, das wäre meine Strategie. Du hast schon gesagt, dass du gerne Menschen kennenlernst in den unterschiedlichen Kontexten. Welchen Strategien bist du denn da begegnet? Oder vor allem welche würdest du denn anwenden, wenn du jemanden kennenlernst, den du interessant findest?
Kjell: Ja, tatsächlich hatte ich ja gerade schon gesagt mir fällt die Unterscheidung so ein bisschen schwer, von daher kann ich jetzt gar nicht so genau sagen, ob ich vielleicht Strategien erlebt habe, die ich nur einfach nicht kapiert habe. Das wär durchaus im Bereich des Möglichen und vielleicht einfach so ein bisschen unkundig daneben saß, während da jemand verzweifelt versucht hat, Kontakt mit mir aufzunehmen. In dem Fall, wenn du das hörst, sorry, tut mir leid, bei mir muss man das ein bisschen direkter machen. Ja, meine eigene Strategie um Menschen kennenzulernen, die geht vielleicht ganz ähnlich wie deine, Anna. Ich setze dabei wahrscheinlich viel auf Augenkontakt, also wirklich Leute anzuschauen. Zum Beispiel, was ich gerne mache, ist, wenn ich in einer Bar bin und jetzt darauf aus bin jemanden kennenzulernen, dass ich einfach mal so ein bisschen durch den Raum gucke und schaue, wer denn auch so durch den Raum schaut. Meistens kann man die Leute ja ganz gut identifizieren, die entweder gerade von ihrem Gespräch gelangweilt sind oder sowieso alleine da sind oder vielleicht gerade auch irgendwie denken, was hier vielleicht noch für andere Leute unterwegs sind, die kann man dann ja einfach mal ein bisschen anschauen. Meine Erfahrung ist, dass man darüber eigentlich ganz gut zumindest mal ein Gesprächsinteresse signalisiert. Und ich hab auch kein Problem damit, dann Leute vielleicht so ein bisschen intensiver anzustarren, dass es dann mal eindeutig wird und die zum Beispiel mal vorbeikommen und sagen: “Hey, was machst du denn hier?” oder dass ich einfach auch mal auf die Leute zugehe. Ich bin da auch ganz direkt gewesen in der Vergangenheit, also, dass ich einfach zu Leuten hin bin und so diesen Klassiker, wenn ich als Mann und einer Bar bin und da eine Frau sehe, die ich interessant finde, dass ich dann sie frage, ob ich Ihr einen Drink spendieren kann. Das ist jetzt vielleicht ein bisschen altbacken, aber funktioniert auf jeden Fall als ein “Ich habe Interesse, mit dir in Kontakt zu treten” und dann kann die Person ja sagen: neem will ich nicht oder ja, warum nicht? Und tatsächlich habe ich darüber schon Leute kennengelernt, das waren schöne Gespräche und an der einen oder anderen Stelle ist daraus auch ein kleines bisschen mehr geworden.
Anna: Das ist ja interessant. Weil wir ja hier über Sexualität und Behinderung sprechen: Hat denn die Behinderung da mal eine erkennbare Rolle gespielt? Also gab es irgendwelche Reaktionen, an die du dich jetzt noch erinnern kannst, speziell darauf, dass du eben im Rollstuhl sitzt, gerade wenn du jetzt auch die Initiative ergriffen hast?
Kjell: Ja, interessanterweise war das tatsächlich mal eine Situation, in der die Frau die Initiative ergriffen hatte und zwar auch eindeutig genug für mich, dass ich das auch mitbekommen habe, dass da Interesse vorhanden war. Das war auf einer Party, da hab ich noch studiert und das war eigentlich eine ganz interessante Situation. Also, irgendwie hatte ich so den Abend über das Gefühl, ok, die ist jetzt auffällig oft in meiner Nähe, das war zumindest mal aufgefallen, und irgendwann saß sie so direkt neben mir und fing dann an, so halb auf meine Armlehne vom Rollstuhl zu kriechen, also ist wirklich sehr, sehr eindeutig in meinen private space quasi eingedrungen, was auch völlig ok war. Und ja, in der Situation, klar, habe ich dann irgendwann auch mal einen entsprechenden Kommentar gemacht. Wir haben uns dann irgendwann zurückgezogen und dann sagte sie mir, dass sie eigentlich immer schonmal Interesse daran gehabt hätte, mal mit einem Mann im Rollstuhl was zu haben, um das so zu paraphrasieren. Ja, ich denke, das war so eine Situation, in der das durchaus eine erkennbare Rolle gespielt hat. Ansonsten, die Menschen reagieren da ganz unterschiedlich drauf. Von ich denke jetzt, Anna, im Fall von Devs, über die wir hier regelmäßig sprechen, ein besonderes Interesse dadran, über Leute, die sagen: Hey, das finde ich spannend, das habe ich in meinem Leben noch nicht erlebt und jetzt hab ich gerade mal die Gelegenheit, wie ist das wohl? Das war jetzt die Bekanntschaft, von der ich gerade sprach, bis hin zu das einfach mehr oder weniger zu ignorieren, dass da jemand eine Behinderung hat. Soweit es nicht irgendwie zur Situation gerade beiträgt oder relevant ist, hab ich da alles schon erlebt und ich versuche einfach immer ein Stück weit zu zeigen, dass ich offen mit dem Thema umgehe. Ich habe jetzt kein Problem damit, wenn Leute da irgendwelche Fragen haben oder Interesse daran haben, über das Thema zu reden, darüber einfach zu sprechen, aber vielleicht da auch selber mal mit einem Witz das Eis zu brechen. Vielleicht irgendwie sowas zu sagen wie: Nee, ich trink jetzt keinen zweiten Shot, ich muss noch fahren. Das ist so mein Standardwitz und ich glaube, das ist auch der Standardwitz von vielen anderen Menschen, die im Rollstuhl sitzen. Aber es zeigt aus meiner Sicht auch für andere Leute erkennbar so ein bisschen die Bereitschaft, auch mit dem Thema jetzt nicht super verkrampft umzugehen, was, finde ich, gerade im Dating-Kontext auch einfach wichtig ist.
Anna: Ja und um das zu erreichen, gerade wenn man jetzt als Mensch mit Behinderung aktiv auf Partnersuche ist, wäre es vielleicht auch generell eine gute Idee, erstmal mehr Menschen kennenzulernen. Vielleicht gar nicht so im Dating-Kontext, sondern bei Freizeitaktivitäten, in Interessengruppen, in allen Dingen, in denen man sonst auch Menschen kennenlernt. Und dann haben die anderen Personen eben die Gelegenheit, dich als Mensch mit Behinderung kennenzulernen, ohne gleich entscheiden zu müssen, ob das jetzt ein potenzieller Partner ist oder ob die Behinderung dafür jetzt zu abschreckend ist oder ob da eine Beziehung überhaupt denkbar ist und eine Sexualkontakt oder was auch immer. Vielleicht ist es ja auch gerade für Männer mit Behinderung ein Vorteil, zumindest hatte ich manchmal den Eindruck, dass Frauen sich vielleicht ein bisschen sicherer fühlen, wenn Sie auf Männer mit Behinderung treffen, weil sie dann vielleicht nicht so schnell Avancen in eine eindeutig sexuelle Richtung erwarten. Das stellt natürlich auch wieder die Frage, warum eigentlich nicht? Da kann man drüber sprechen, aber zumindest ist mir das immer mal aufgefallen, dass sich das so verhält.
Kjell: Ja, das hab ich tatsächlich selbst auch schon erlebt, dass ich auf Frauen teils asexuell wirke, dass sie sich gar nicht vorstellen können, dass ich als Mann mit Behinderung sexuelle Interessen haben könnte. Das passt für mich so ein bisschen in dieses Klischee vom schwulen besten Freund. Das ist ja so ein fast schon sprichwörtliches Klischee, was offensichtlich für einige Frauen auch eine tolle Sache ist, so einen besten Freund zu haben, von dem sie wissen, dass mit dem einfach nie was laufen wird. Das ist natürlich eine etwas frustrierende Situation, wenn man sich da etwas unfreiwillig in dieser Rolle wiederfindet. Das ist etwas, was ich zumindest schon häufiger erlebt habe, wo dann auch in Gesprächen relativ eindeutig gesagt wurde, dass das wirklich an der Behinderung liegt und dass die Person, an der ich dann vielleicht auch weitergehendes Interesse gehabt hätte, sich das irgendwie partout nicht vorstellen kann, wie das funktionieren sollte. Und zumindest für mich war das wie gesagt frustrierend.
Anna: Tja, wenn man so gefriendzoned wird, dann braucht man halt wieder die guten Strategien, um Interesse zu signalisieren. Darüber hatten wir ja jetzt auch schon gesprochen.
Kjell: Ja, tatsächlich habe ich da manchmal den Eindruck, dass ich so ein bisschen übertrieben sexuell sein muss, damit es auch ankommt, also vielleicht auch in Unterhaltungen oder solchen Situationen auch ganz bewusst mal so eine kleine Grenze zu überschreiten, in dem, was man dann sagt. Das ist natürlich nicht ganz unkritisch und mir ist sehr wohl bewusst, dass das vielleicht auch nicht bei jedem gut ankommen muss, aber diese Gefahr ohne das zu tun jetzt wirklich als asexuell wahrgenommen zu werden, ist einfach etwas, was ich so aus der Erfahrung bei mir immer wieder merke. Und ich muss auch sagen, dass die Reaktionen darauf, wenn ich das jetzt nicht creepy und einigermaßen charmant mache oder mit einem gewissen Humor, dann vielleicht auch mal einen Kommentar unter der Gürtellinie mache, dann das meistens doch positiv ankommt. Das passt vielleicht auch so ein bisschen zu dem Eindruck, den du beschreibst, dass man als Mann mit Behinderungen nicht notwendigerweise als ich sag mal Gefahr wahrgenommen wird, weil selbst wenn ich jetzt irgendwie mal einen etwas zotigen Spruch mache, muss sich dann glaube ich niemand Gedanken machen oder Angst haben, dass ich da gleich irgendwas gegen den Willen der anderen Person tun werde.
Anna: Ich denke, das Ganze beruht vielleicht auch ein bisschen darauf, dass die meisten Menschen vermutlich nicht vielen anderen Menschen mit Behinderung im Alltag begegnen. Vielleicht wäre das einfacher, gerade auch als sexuelles Wesen, als Mensch mit sexuellen Bedürfnissen wahrgenommen zu werden, wenn solche Situationen einfach öfter vorkommen würden. Da gäbe es jetzt noch eine weitere Möglichkeit, über die wir noch nicht gesprochen hatten, für beide Seiten eigentlich, dass man sich vielleicht bei Events kennenlernt, bei denen es mehr Menschen mit Behinderung gibt. Da denke ich jetzt zum Beispiel vor allem an Parasport. Ich persönlich hab damit jetzt keine Erfahrung, allerdings kenne ich das aus Berichten von anderen Paaren, die sich genau eben auf diesem Weg kennengelernt haben und in solchen Kontexten ist vermutlich die Annahme, Menschen mit Behinderung seien asexuell, jetzt auch nicht so weit verbreitet, weil da einfach ja die Basis, die gemeinsame Wissensbasis eine ganz andere ist, sodass da vielleicht einem klassischen Kennenlernen, Flirten und was alles dazugehört, nicht so viel im Wege steht.
Kjell: Hättest du denn da jetzt persönlich Hemmungen, zum Beispiel einfach zu so einem Rollstuhl-Basketballspiel hinzugehen, zu einem attraktiven Spieler hinzulaufen und den einfach mal ganz offensiv anzuflirten?
Anna: Insgesamt kann man das glaube ich schon ganz gut machen. Die Offenheit für Menschen, die jetzt an Behindertensport interessiert sind, ohne selbst behindert zu sein, ist da schon da. Allerdings habe ich es jetzt als Dev immer ein bisschen als komisch empfunden, dort jetzt aus dem Grund der Kontaktaufnahme mit potenziellen Partnern aufzukreuzen. Man sieht mir das Devsein ja nicht an. Auch wenn ich manchmal das Gefühl hab, aber man sieht es mir nicht an, und ich möchte ja eigentlich sicherstellen, dass Menschen, denen ich unter diesen Voraussetzungen begegne, selbst entscheiden können, ob sie jetzt mit mir Kontakt haben möchten oder nicht, wissend, dass ich eben speziell Menschen mit Behinderungen attraktiv finde. Jetzt einfach irgendwo anzukommen und loszuflirten und das dabei zu verschweigen, ich glaube, das könnte ich mit meinem Gewissen nicht so gut vereinbaren.
Kjell: Das begrenzt ja jetzt gerade in deinem Fall den Dating-Pool ganz real. Das sind ja einfach weniger Leute, die du potenziell als Partner hast. Ich merke, dass allerdings auch viele Behinderte sich oft so fühlen, und ich denke, ich bin da selbst nicht ganz frei davon, dass ich auch manchmal denke, von den ganzen Leuten, die ich so in meinem Leben kennengelernt habe, waren doch schon einige dabei, die relativ klar gesagt haben, ich könnte mir das nie vorstellen eine Beziehung mit einem behinderten Mann zu haben. Denkst du, dass man in interabled Beziehungen deshalb weniger wählerisch sein sollte?
Anna: Nein, das denke ich nicht. Du hast Recht, es ist eine reale Gefahr, gerade wenn man das Gefühl hat, dass die Zahl der potenziellen Partner sehr gering ist. Ich kenne es ja von mir selbst und ich habe das auch bei anderen erlebt, dass man aus diesem Grund vielleicht bereit ist, Kompromisse einzugehen, mehr zu investieren, so Dinge zu machen, die man nicht in Kauf nehmen würde, wenn man nicht das Gefühl hätte, nicht wählerisch sein zu dürfen. Und ich kann das jetzt aus der Dev-Perspektive berichten: Gerade für mich gibt es jetzt allein von den optischen Gesichtspunkten her schon sehr wenig Menschen, die ich überhaupt attraktiv finde. Da könnte man jetzt schon auf den Gedanken kommen, dass wenn man dann mal jemanden gefunden hat, den man attraktiv findet, andere Sachen, Persönlichkeit, auf einer Wellenlänge sein, usw, dann nicht mehr so wichtig sind. Das ist aber, glaube ich, auf lange Sicht überhaupt keine gute Strategie. Denn früher oder später kommen diese zugrundeliegenden Konflikte halt an die Oberfläche und dann funktioniert es nicht, egal wie attraktiv man den anderen findet. Das ist wirklich eine Gefahr und ich glaube, da ist niemand davor gefeit, der aus irgendwelchen Gründen auch immer vor einem sehr begrenzten Dating-Pool steht. Wie ist denn das eigentlich für dich, Kjell? Hast du das Gefühl, nicht wählerisch sein zu dürfen, weil es vielleicht, wie du schon gesagt hast, jetzt weniger Frauen gibt, für die die Behinderung kein Problem wäre?
Kjell: Ich bin mir jetzt gar nicht so ganz sicher, ob das speziell aus dieser Perspektive eines verkleinerten Dating-Pools, ob das jetzt real so ist oder nicht, das weiß ich gar nicht so ganz genau, ob das jetzt wirklich daher kommt. Allgemein ist meine Einstellung zu Beziehungen, dass ich gar nicht so sehr glaube, dass es die eine richtige Person für Menschen gibt. Es ist eigentlich eher so, dass die Interessen, die wir haben, und die Anforderungen, die wir an ideale Partner stellen, und dann habe ich mich in den letzten Jahren wirklich mit vielen Leuten dazu unterhalten, die das alle so darstellen, dass diese Interessen widersprüchlich sind und dass die Leute einfach unterschiedliche Dinge von ihrem idealen Partner gerne hätten. Und weil es keine reale Person gibt, die das abdecken könnte, eigentlich immer Abstriche nötig sind und man sich einfach die Frage stellen muss: Ist das eine Person, die auf der einen Seite genügend viele meiner persönlichen Anforderungen erfüllt und auf der anderen Seite nicht irgendwelche No Gos für mich hat, wo ich sage, das geht einfach gar nicht in einem Partner. Das man deshalb vielleicht allgemein nicht so sehr auf diesen Pfad unterwegs sein sollte, es muss die eine richtige Person sein, mit der ich jetzt mein Leben verbringe. Aus der anderen Perspektive jetzt gesprochen: Zum Ende einer langjährigen Beziehung, die ich hatte, sagte mal jemand zu meiner Ex, dass sie doch eigentlich eine Verantwortung gegenüber mir hätte. Das klang für mich jetzt genau nach dieser Außensicht, dass Behinderte ja kaum Optionen bei der Partnerwahl haben und dass daraus irgendwie so eine, ja, spezielle höhere Verantwortung für Partner von Menschen mit Behinderungen entstehen würde. Also ich würde das nicht so sehen, dass man als Partner eines Behinderten, da hab ich ja auch Erfahrungen, dann eine höhere Verantwortung hätte als als Partner eines Nichtbehinderten. Ich glaube, das spricht dem Ganzen eine größere Besonderheit zu, als es eigentlich der Fall ist. Und zum Schluss ist es ja so, wie wir auch schon öfter festgestellt hatten, aber wir sagen es einfach immer wieder, dass interabled Beziehungen auch nicht so anders sind als Beziehungen zwischen nichtbehinderten Partnern. Vielleicht gibt es ein paar Kleinigkeiten, die unterschiedlich sind, und über diese Kleinigkeiten reden will hier sehr viel im Podcast, deswegen erscheinen die vielleicht sehr groß. Aber der Großteil der Beziehung, der Alltag, das, was das gemeinsame Leben ausmacht, das Zusammenleben, ja, das sind dieselben Probleme, dieselben Herausforderungen, die jede Beziehung da zu bewältigen hat.
Kjell: Das wiederhole ich gefühlt auch immer gebetsmühlenartig. Wir sollten gerade als Menschen mit Behinderung darauf achten, dass wir, gerade wir, nicht immer alles mit der Behinderung erklären wollen. Beziehungen sind auch für Menschen ohne Behinderung schwer und Dating ist nicht immer einfach und diese ganzen Herausforderungen mit welches Außenbild stelle ich dar im Online-Dating, wie lerne ich Menschen offline kennen, wie gehe ich damit um und so weiter und sofort, das ist unabhängig davon, ob man jetzt eine Behinderung hat oder nicht, glaube ich, für die allermeisten Leute eine Herausforderung.
Anna: Genau. Und bevor es zum Kennenlernen, zu einer Beziehung an sich kommt, passiert ja meistens noch ein bisschen was zwischendrin. Heute haben wir darüber gesprochen, wo lernt man denn potenzielle Partner kennen? Das ist aber jetzt nicht die letzte Folge zum Thema Dating. Beim nächsten Mal sprechen wir über etwas, was ich persönlich immer einen sehr reizvollen Abschnitt im Sich-Näherkommen finde, und zwar das Flirten. Wir haben dazu einige Fragen bekommen und wollen das beim nächsten Mal deswegen einfach etwas näher beleuchten. Also seid gerne in der nächsten Folge wieder dabei, für heute erstmal vielen Dank fürs Zuhören und bis bald.
Kjell: Tschüß.
Gute Folge Danke ich würde mir wünschen das wir als behinderte Menschen wenn wir von der Entsexualisierung unserer Körper durch die Gesellschaft sprechen eben von Entsexualisierung sprechen und nicht sagen das uns die Nichtbehinderten Menschen als Asexuell wahrnehmen denn Asexualität ist nichts Negatives entsexualisiert zu werden schon
ist Handicap Love nicht so eine Sozialarbeiter*innen Erfindung so nach dem Motto Gleich und Gleich gesellt sich gern ganz nach dem Motto behinderte Menschen sollen beinderte Menschen Daten ich find die Seite problematisch
Hallo Daniel! Danke für deinen Kommentar. Ja, ich habe es auch immer so verstanden, dass auf HL vor allem Kontakte zwischen Menschen mit Behinderung entstehen sollen. Allerdings gibt es ja auch manche Menschen, die das genau so wollen, weil sie sich dann zum Beispiel besser verstanden fühlen.
Anna