Anna und Kjell unterhalten sich über die Rolle von Devness in romantischen und sexuellen Beziehungen und ergründen, auf welchen Ebenen einer Beziehung sich die Vorliebe auswirkt.
Transkript
Kjell: Herzlich Willkommen zu Rollirotik, dem Podcast zu Sexualität und Behinderung. Ich bin Kjell und Anna hab ich auch wieder mitgebracht.
Anna: Mitgebracht ist gut, ich bin hier auf Kjells Schoß reingefahren worden.
Kjell: Aber nicht gegen deinen Willen, oder?
Anna [lacht]: Na, darüber wird noch zu reden sein.
Kjell: Okay, na, dann machen wir mal mit dem offiziellen Teil des Podcast weiter. Wir haben ja jetzt sehr intensiv über interabled Beziehungen schon gesprochen, aber einen Aspekt wollen wir heute nochmal ein bisschen mehr hervorheben. Anna, du hast es bereits gesagt: Du hast eine sexuelle Vorliebe für Behinderte. Ist das leicht? Haben deine Partner das in der Vergangenheit einfach akzeptiert?
Anna: Das kommt drauf an. Partner, die ich aus dem Internet kannte, oder überhaupt eben Personen, die ich aus dem Internet kannte, wussten das größtenteils einfach schon, bevor so ein erster Kontakt stattgefunden hat, weil ich auf den Profilen auf einschlägigen Seiten da einfach sehr offen bin und das immer schon kommuniziere. Das heißt natürlich auch, dass relativ viele Fragen kommen. Leute, die das mal lesen und eigentlich nichts von dem Thema. gehört haben, dass sie einfach mal nachfragen: Hey, das hab ich ja noch nie gehört, das ist ja spannend, erzähl mal ein bisschen was drüber. Aber das heißt natürlich auch, dass Leute, die vielleicht von Devs schon gehört haben, und das sind eben vor allem Menschen mit Behinderung, zumindest ein bisschen eine Ahnung haben, was sie erwartet, wenn sie jetzt mit mir in Kontakt treten. Das heißt, das war jetzt nie so, dass es eine große Überraschung war. Aber nur, weil jemand das weiß, dass ich ne Dev bin, heißt es halt noch nicht, dass derjenige das dann auch vollumfänglich akzeptieren kann. Und es ist oft auch gar nicht so sehr eine aktive Entscheidung von den Leuten. Also die meisten sagen nicht: Ja, das finde ich jetzt blöd. Klar, die Leute gibt es auch. Darüber haben wir auch schon mal gesprochen. Aber die meisten denken: Hey, das ist doch eigentlich ne coole Sache. Ich habe eine Behinderung und das macht mir doch mein Leben einfacher, wenn ich jetzt hier sexuelle Kontakte zu einer Frau hab, die eben mich aufgrund der Behinderung attraktiv findet. Andererseits ist es dann allerdings auch so, dass der Kontakt zu mir häufig für die Leute dann doch ein bisschen anders ist, als sie es sich zuerst ausgemalt hatten oder als sie es erwartet hatten. Und da kam es halt auch schon mal zu solchen Situationen, dass es gerade jetzt so Kontakte, die eher auf sexueller Ebene liefen, dass die Leute das dann schon mal nervig fanden, dass ich Fragen zur Behinderung gestellt habe oder dass ich da irgendwie Dinge wissen wollte, dass ich da vielleicht auch ganz gern drüber geredet habe. Dann haben sie halt gemerkt: Okay, da gehört noch mehr dazu als dieses bloße “Ich finde dich jetzt attraktiv mit deinem Körper, der irgendwie ungewöhnlich ist”. Das ist mir schon öfter so gegangen und ich glaube, das ist dann für beide Seiten nicht so angenehm. Weil beide irgendwie Erwartungen haben, die dann nicht erfüllt werden. Aber Kjell, angesichts der Tatsache, dass wir jetzt hier diesen Podcast zusammen machen, würde ich ja einfach mal davon ausgehen, dass es für dich okay ist, dass ich diese Vorliebe habe.
Kjell: Klar, für mich ist das okay. Wobei ich sagen würde jetzt ja. Jetzt, in meiner aktuellen Lebenssituation, ist für mich okay oder vielleicht auch eher mit meiner aktuellen Lebenserfahrung ist für mich okay. Ich hatte das ja auch schon mal erwähnt. Das war jetzt nicht unbedingt immer so, dass ich da in einer Position war, auch mich selbst mit dieser Perspektive auf Behinderung wohlzufühlen. Das war jetzt nicht so, dass mich das abgeschreckt hat oder dass ich irgendwie keine Lust gehabt hätte, mich über meine Behinderung zu unterhalten, auch gar nicht so sehr in diesem Kontext von “jemand findet das attraktiv”, sondern vielmehr das Gefühl hatte, das überfordert mich. Dass ich gar nicht so genau wusste, wie ich das einordnen sollte. Das ist etwas, wo ich jetzt rückblickend sagen würde, da hab ich einfach diese Lebenserfahrung gebraucht und diesen Austausch auch mit Devs und das Gespräch darüber auch außerhalb von einer Beziehung, oder jetzt im konkreten Sexualkontakt einfach das reflektieren zu können mit jemandem, der jetzt vielleicht auch nicht aus der Perspektive spricht, wo sie mich dann attraktiv findet. Sondern einfach, ja, das mal besprechen zu können, um Behinderung auch wirklich als einen integralen Teil von mir selbst anzunehmen.
Anna: Oft höre ich ja dazu diese Bemerkung: “Die Behinderungen spielt in meinem Leben keine Rolle.” Also diesen Satz habe ich schon mehrmals von behinderten Personen gehört und ich glaube, das ist auch so ein Schritt auf diesem Weg, die Behinderung als Teil von sich anzunehmen. Was bedeutet das denn dann, wenn man sagt, das spielt keine Rolle? Also ich glaube, ich verstehe, woher diese Einstellung kommt, dass man einfach sagt: Das soll nicht mein Leben bestimmen, ich hab noch so viel mehr zu bieten, ode vor allem möchte ich noch mehr bieten als das, was jeder sowieso auf den ersten Blick schon sieht. Allerdings ist eben diese Haltung, dass die Behinderung keine Rolle spielt, jetzt für mich als Dev ein bisschen schwierig, wenn es dann in Richtung Partnerschaft geht, weil ich dann auch so ein bisschen das Gefühl habe, die Devness verstecken zu müssen oder aufpassen zu müssen, dass die Devness und damit ja irgendwie notwendigerweise auch die Behinderung nicht so ein großes Thema ist.
Kjell: Aus der anderen Perspektive könnte ich mir höchstens vorstellen, dass Menschen da vielleicht auch einfach Angst haben, dass sie dann auf ihre Behinderung reduziert werden. Das ist jetzt nichts, was ich so persönlich wirklich mal ernsthaft gedacht habe. Ich glaub, dazu hatte ich einfach auch, bevor ich über solche Themen mit Menschen gesprochen habe, schon ein besseres Bild von denen und wusste irgendwie: Klar, für die ist auch das Gesamtpaket wichtig, genau wie du das sagst, Anna. Aber ich könnte mir einfach vorstellen, dass es für einige Menschen mit Behinderungen dann der Fall ist, dass sie das Gefühl haben: Ich bin jetzt nur noch meine Behinderung und werde gar nicht mehr als Mensch gesehen. Das ist ja vielleicht auch nachvollziehbar als Angst. Meine persönliche Erfahrung steht dem jetzt so entgegen. Ich habe noch nie jemanden getroffen, der sich so verhalten hätte. Aber vielleicht, das war so ein Gedanke, den ich dabei auch hatte, gilt das umgekehrt ja auch so. Wie ist das, Anna? Siehst du das auch als eine Gefahr, dass du auf deine Eigenschaft als Dev reduziert wirst?
Anna: Ja, das passiert auf jeden Fall. Also vor allem eben so in eher sexuell geprägten Kontexten. Das jetzt Personen sehen: Okay, die interessiert sich sexuell für Menschen mit Behinderungen, und dann sind mir die ganzen anderen Eigenschaften, die sie als Person so mitbringt, auch nicht mehr so wichtig. Sondern das Wichtigste ist eben, dass da eine sexuelle Ebene vorhanden ist. Und das ist ja auch kein Problem, das kann man ja so machen, aber ich glaube, diese Reduktion auf diese eine Eigenschaft, das gibt es auf jeden Fall in der Richtung auch. Andererseits, was du angesprochen hast, diesen häufigen Vorwurf der Objektifizierung. Also dass Devs vorgeworfen wird, dass sie eben ausschließlich die Behinderung spannend finden und nicht den ganzen Menschen. Das kann ich so jetzt für mich eigentlich nicht bestätigen. Vor allem deswegen, weil ich eben auch denke, dass Sexualität ja eigentlich immer einen gewissen objektifizierenden Anteil hat. Ob das jetzt eine Behinderung ist oder irgendein anderes äußeres Merkmal, was man da sexuell anziehend findet, ist ja dann erstmal irrelevant. Diese Objektifizierung, vielleicht auf eine gewisse körperliche Ebene, ist, glaube ich, ganz oft vorhanden. Sicher nicht immer, aber gerade bei sexuellen Gefühlen sicher häufig. Und ich glaube, das ist auch ok, irgendwie. Solange beide Personen oder alle Personen, die involviert sind, damit einverstanden sind. Aber trotzdem, wir reden jetzt hier wieder über die sexuelle Ebene. Für mich ist Devness halt, wie ich das auch schon mal gesagt hab, viel mehr. Also ich kann das deswegen nicht bestätigen. Selbst wenn es ein Objektifizierung auf sexueller Ebene geben sollte, ist das noch lange nicht alles, was die Devness ausmacht. Natürlich auch nicht mich als Person, aber auch nicht die Devness.
Kjell: Ich hab das jetzt so aus der Außenperspektive bisher auch immer erlebt, zumindest mit den Devs, mit denen ich zu tun hatte, dass es da so zwei oder eigentlich drei Ebenen gab in Beziehungen, die ich irgendwie für mich erkennen kann. Einmal so den Alltag und dann eine emotionale Ebene und eine sexuelle Ebene. Auf allen diesen drei Ebenen spielt dann in einer Beziehung zwischen einem Menschen mit Behinderung und einem oder einer Dev diese Dynamik eine gewisse Rolle. Vielleicht mal mit dem Alltag angefangen: Ich glaube, es ist total verständlich, dass im Alltag das Thema Behinderung vielleicht auch mal bewusst ausgeklammert werden sollte. Das ist sowieso regelmäßig Thema, das bringt einfach bestimmte logistische Herausforderungen mit, über die hatten ja auch schon gesprochen, und es nimmt ohnehin, glaube ich, im Alltag von vielen Menschen mit Behinderung aus ganz praktischen Gründen schon einen großen Raum ein. Und vielleicht sollte dann in diesem Alltag nicht auch noch die Behinderung die ganze Zeit im Vordergrund stehen. Andersrum denke ich, und das hast du ja auch gerade gesagt, Anna, sollte es ja nicht so sein, dass die Partnerin jetzt in meinem Fall ihr Interesse an meiner Behinderung verstecken muss. Von daher glaube ich auf dieser emotionalen Ebene zwischen zwei Partnern dann klarzumachen: Hey, ich finde das gerade irgendwo auch emotional attraktiv, das ist, denke ich, eine wichtige Komponente, dem auch Raum zu geben. Und für mich ist es natürlich auch toll, dass ich meine Behinderung dann in dem Fall vor einer Dev-Partnerin gar nicht verstecken, übertünchen, kaschieren oder sonst irgendwas muss, weil es einfach etwas ist, was sie im Zweifel spannend und schön und attraktiv findet und ich sie auch gar nicht überzeugen muss, dass das jetzt vielleicht ja auch Nachteile mit sich bringt, die man dann wieder irgendwie ausgleichen muss oder so.
Anna: Ja, den Rollstuhl zu verstecken, wäre vermutlich sowieso ein bisschen schwierig. Aber jetzt ganz ernst: Das ist eigentlich die häufigste positive Reaktion, die ich auf die Devness bekomme. Dass Menschen mit Behinderung einfach sagen: Mensch, das ist ja toll. Das ist das erste Mal in meinem Leben, wo ich mir nicht Gedanken machen muss, wie ich die Behinderung erkläre oder wie ich meinem Gegenüber klarmache, dass es nicht so eine große Sache ist, wie diejenigen vielleicht zunächst denken. Und das freut mich natürlich auch. Also die Devness bringt für mich selber natürlich auch viele Probleme und viel Frust mit sich und wenn ich dann höre, dass es schon auch positive Auswirkungen haben kann auf andere Menschen, das ist eigentlich eines der schönsten Sachen, die mir damit passieren können.
Kjell: Ich denke, es ist wichtig, dass man in so einer Partnerschaft sich dann auch einfach ganz bewusst den Raum für das Ausleben dieser Devness gibt, also zumindest mal jetzt konkret auf dieser emotionalen Ebene, das vielleicht nicht so in dem hektischen Alltag tut, wenn man sowieso denkt, jetzt will ich mich auch nicht noch damit beschäftigen, ist sowieso gerade nervig, dass meine Bahn verspätet kommt. Aber dann doch irgendwo auch den Raum haben mit einem Partner darüber reden zu können und sagen zu können: Hey, das fand ich vorhin irgendwie spannend oder attraktiv oder darüber möchte ich jetzt gerne nochmal mit dir sprechen. Und ich glaube, das hilft einfach dabei, dass diese Beziehung dann auch diese Dynamik sich erhält. Dann die dritte Ebene, die ich angesprochen habe, da ist es natürlich nochmal umso wichtiger, finde ich zumindest, dann auch auf einer sexuellen Ebene dem einen Raum zu geben. Da hattest du das ja auch schon gesagt, Anna, gerade dieses Thema Objektifizieren ist aus meiner Sicht genau wie du das gesagt hast. Es gibt Leute, die haben irgendwie einen Fetisch und finden das spannend, wenn ihr Partner irgendwas bestimmtes anhat oder sich bei bestimmten Aktivitäten vergnügt oder was auch immer. Es ist, ich glaube, da ist es ganz wichtig, dass man darüber spricht. Was ist in Ordnung, was ist für beide okay, was wollen wir auch gemeinsam erleben? Dann ist es, denke ich, nochmal wirklich erleichternd in so einem sexuellen Kontext in einer Partnerschaft, zumindest aus meiner Erfahrung, mit einer Dev nicht ganz so viel erklären zu müssen. Viele Fragestellungen dann auch einfach schon selbstverständlicher behandeln zu können. Du hattest das ja auch schon mal erwähnt. Viele Devs machen sich da offensichtlich sehr intensiv auch Gedanken darüber, welche Auswirkungen dann so eine Behinderung hat. Und da muss man dann im Zweifel nicht mehr ganz so viel erläutern, welche Positionen jetzt funktionieren oder welche Körperteile jetzt wie funktionieren oder auch nicht. Das ist natürlich dann auch ein Vorteil, um vielleicht mit jemandem sich schneller und einfacher nahezukommen.
Anna: Das ist, glaube ich, vor allem ein Vorteil für Leute, die schon Erfahrungen mit Devs haben. Also das ist mir häufig vor allem dann aufgefallen, wenn ich Kontakt mit jemanden hatte, für den ich jetzt sozusagen nicht die erste Dev war. Wenn das das erste Mal ist, dass sie mit dem Thema jetzt im echten Leben Berührungspunkte haben, dann ist es meist so, dass trotzdem die ganzen Erklärungen kommen und das nicht so sehr im Vordergrund steht, dass ich vielleicht das ein oder andere Detail der Behinderung auch schon weiß.
Kjell: Apropos wissen, was würdest du denn sagen, wir haben jetzt sehr stark über die Ausgestaltung innerhalb einer Beziehung gesprochen: Wieviel sollten denn Außenstehende über Devness wissen? Wieviel sollten Leute, die jetzt nicht direkt Teil der Beziehung sind, darüber wissen? Dass nun ein Partner, eine Partnerin, sich für Behinderungen interessiert, ganz konkret.
Anna: Ja, gute Frage. Ich hab das eigentlich immer so gehandhabt, dass ich lieber selbst entscheiden wollte, wem ich es erzähle und wem nicht. Es ist dann natürlich so eine Frage, wenn ich dann wirklich in einer Partnerschaft bin und der Partner ist vielleicht der Meinung, er müsse das jetzt seiner Familie erzählen oder seinen Freunden. Damit habe ich ehrlich gesagt nicht so gute Erfahrungen gemacht, wenn ich halt nicht selbst dabei bin. Erstens weil es jemand anderes sowieso vermutlich nicht so vollumfänglich darstellen kann und das dann schnell in eine eher negative Ebene abrutschen kann. Und weil es halt doch einfach stigmatisiert ist und man nicht so genau weiß, was kommt denn da jetzt für Reaktionen. Würdest du das denn deinem Umfeld sagen wollen?
Kjell: Also in der Vergangenheit gehörte für mich dieses gesamte Thema so in die Kategorie “was im Bett passiert”. Ich denke, jeder hat so ein oder zwei gute Freunde, mit denen man über solche Dinge vielleicht auch mal redet, aber das ist jetzt sicherlich nichts, was ich in meinem gesamten sozialen Umfeld irgendwie ich gleich als erstes erzähle. Mit Blick darauf, dass wir jetzt Devness es auch sehr stark als eine sexuelle Orientierung zumindest beschrieben haben, ist aber vielleicht gar nicht so richtig, das auf diesen Aspekt “was im Bett passiert” zu reduzieren. Ich finde es aber insgesamt fair, wenn du sagst, du willst das lieber selbst in der Hand haben. Uch glaube auch da ist es wieder wichtig, dass man einfach darüber spricht, dass man es dann eben einfach weiß, wie möchte jemand anders das gerne machen und darüber dann vielleicht auch vermeidet, dass es dann blöde Situationen gibt, so wie du beschrieben hast.
Anna: Genau, also es wäre halt auch wichtig, dass der Partner das dann akzeptiert, was man selbst da entschieden. Also da hatte ich auch schon andere Erfahrungen, dass ich einfach mal gesagt hab: Ich finde es eigentlich nicht so gut, wenn du das allen Leuten in deinem Leben erzählst. Und dann ist es trotzdem weiter passiert. Das sind dann schon Situationen, die mir dann echt unangenehm waren.
Kjell: Ich versuche mir das gerade vorzustellen. Das heißt, du kommst dann mit deinem Partner auf eine Party und das erste, was er dann sagt, ist: Hey, das ist die Anna und die steht auf meine Behinderung! Oder wie?
Anna: Nee, das war meistens passiert, als ich nicht anwesend war, also dass mein Partner da dann den Menschen in seinem Leben davon erzählt hat und halt auch nicht nur einem oder zwei, sondern vielen. Und das fand ich dann nicht so angebracht, ehrlich gesagt, vor allem nicht, als ich gesagt habe, dass ich es eigentlich nicht möchte.
Kjell: Ja, total nachvollziehbar. Jetzt aber mal jenseits von den eher abstrakten Themen wie hast du selbst denn ganz konkret Devness in deinen Beziehungen erlebt, Anna?
Anna: Also, um da ein bisschen auszuholen: Ich hab mir ja in der Vergangenheit gerade, als ich mir der Devnss so das erste Mal wirklich bewusst geworden, hab ich mir viel ausgemalt, wie es denn wäre in einer Beziehung mit einem behinderten Partner zu sein. Und ich glaube, da waren auch sehr viele Rosarote-Brillen-Elemente dabei bei den Dingen, die ich mir da so ausgemalt hab, aber das war einfach so ein großes Thema für mich. Da habe ich viel darüber nachgedacht. Und in der Vorstellung war das natürlich total reizvoll für mich. Also ich habe eigentlich gedacht: Das ist ja das Non-plus-ultra, das Schönste, was ich mir vorstellen könnte. Und vielleicht ist es das auch noch. Aber trotzdem muss man sich gleichzeitig auch die Frage stellen: Ist denn das alles so alltagstauglich, was man sich da vorstellt? Wäre das denn dauerhaft? Was wäre denn, wenn die Beziehung nachher nicht so ist, wie man das aus den Erwartungen, aus den Fantasien sich vorgestellt hat? Das ist ja ein komplexes Produkt, was man sich da, also, was ich mir da über Jahre aufgebaut hab. Wie wäre sowas? Vielleicht ist das nur in meiner Vorstellung heiß und also gar nicht im Alltag dann, das ist ja alles möglich.
Kjell: Wie waren deine konkreten Erfahrungen im Vergleich zu deinen vorher ausgemalten Fantasien?
Anna: Genau. Also gerade am Anfang war es viel weniger sexuell stimulierend, als ich mir das so vorgestellt hatte. Ich war ganz viel mit den praktischen Aspekten beschäftigt, also wir haben das ja in der Logistik-Folge auch lang und breit erzählt, was da alles vielleicht eine Rolle spielen kann. Und war immer damit beschäftigt, sozusagen eine gute Dev zu sein und vielleicht auch Dinge vorherzusehen, die passieren könnten und einfach zu schauen wie funktioniert das jetzt alles im Alltag. Woran muss man denken? Das hat die erste Zeit eigentlich so ein bisschen überschattet, sodass es da gar nicht so diese große sexuelle Offenbarung war oder so. Nach einer Weile hat sich das dann aber geändert. Also dann bin ich irgendwie auch in der Situation angekommen und konnte mich ein bisschen entspannen und dann gab es natürlich auch diese Situationen, die irgendwie zur Fantasie gepasst haben und die dann wirklich auch für mich sehr heiß waren.
Kjell: Ich kann das ja so ein bisschen aus meiner persönlichen Sicht nachvollziehen. Ich hab natürlich auch in der Vergangenheit gerade in einer Situation, wo ich jetzt noch nicht so viel Erfahrung mit Beziehungen und auch noch nicht so viele Erfahrungen mit Devs hatte, mir Dinge vorgestellt, wie die dann wohl wären und wie bestimmte Dinge laufen würden, möglicherweise dann auch aus Gesprächen mit Devs Fantasien entwickelt, bei denen ich mir dann vorgestellt hätte, wie dieses, das und jenes ist. Gerade, wenn man dann zwei Leute hat, die vielleicht auch aus einer relativen Unerfahrung mit dieser Situation miteinander reden und im Wesentlichen sich über ihre Fantasien austauschen und weniger über konkrete Dinge, die sie wirklich schon erlebt und funktionieren haben sehen, geht es natürlich schnell, dass dann auch sehr unrealistische Erwartungen geweckt werden. Und ich glaube, für mich war das so ähnlich, wie du es beschrieben hast. Dass es am Anfang, gerade auch in sexuellen Situationen, erstmal ne Weile gedauert hatte um sich dem wirklich öffnen zu können. Das ist aber gleichzeitig auch wieder was, wo ich sagen würde, vielleicht ist das gar nichts behinderungs- oder devnessspezifisches, weil ich das auch von anderen Leuten höre, die jetzt einfach ganz normal so ihre Erfahrungen irgendwann machen und vielleicht auch bestimmte Fantasien im Kopf haben oder Dinge, die sie gerne mal machen wollen würden. Und wenn sie dann machen vielleicht noch eine Weile brauchen, um wirklich dahinzukommen, dass sie das genießen können, weil die Situation im Zweifel erstmal überfordernd ist. Und ich glaube, das ist gerade für Menschen mit Behinderung, wenn sie jetzt nicht in einer Situation sind, in der sie aus welchen Gründen auch immer sehr viele sexuelle Erfahrungen sowieso machen die ganze Zeit, dann vielleicht auch in solchen Situationen nochmal etwas mehr Zeit brauchen, so ging mir das zumindest, um auch mit meiner eigenen Körperlichkeit umzugehen und auch zu verstehen, was geht denn, was geht denn nicht, was funktioniert dann auch wirklich in, ja, ganz praktisch im Bett. Darüber können wir vielleicht nochmal an anderer Stelle intensiver reden. Aber zumindest auch im Kopf diesen Gap zu haben zwischen dem, was ich mir mal ausgemalt habe, was dann passiert und was dann geht, und dem, was, ja, was dann in der Realität passiert, das könnte ich mir vorstellen, ist für viele Menschen durchaus herausfordernd.
Anna: Was ist dann passiert? Also hattest du das Gefühl, dass du unrealistische Vorstellungen hattest, oder wie lief das dann ab, beim ersten Mal?
Kjell: Da hat mir tatsächlich geholfen, eine Partnerin zu haben, die bereits einige Erfahrung mit Sexualpartnern mit Behinderungen hatte. Das war eine ganz angenehme Situation, einfach da das Gefühl zu haben: Naja, da hat jemand auch irgendwie eine Idee davon, was jetzt gerade passiert und was jetzt hier vielleicht auch sinnvolle nächste Schritte sind. Zumindest mir das bei meinem ersten Mal wirklich geholfen, wie gesagt jemanden zu haben, der einfach schon einige Sexualpartner hatte.
So kurze Zwischenmoderation: Wir haben festgestellt, dass wir doch ein bisschen länger für diese Folge brauchen als ursprünglich mal gedacht. Deshalb würden wir das jetzt mal in zwei Folgen aufteilen. Wir machen hier mal eine kurze Pause und euch erwartet dann in den nächsten Tagen der zweite Teil dieser Folge. Bleibt dabei!
Anna: Bis dann.