Anna und Kjell unterhalten sich über die Reaktion von Menschen mit Behinderung auf Devs, häufige Vorurteile, verschiedene Standpunkte und darüber, wie ein gewinnbringender Umgang miteinander gelingen kann.
Transkript
Anna: Herzlich Willkommen zu Rollirotik, dem Podcast zu Sexualität und Behinderung. Schön, dass ihr wieder dabei seid! Beim letzten Mal haben wir über unseren Bezug zum Thema gesprochen, haben ein bisschen beleuchtet, wie wir dazu stehen. Und heute möchten wir darüber sprechen, wie Menschen mit Behinderung auf Devs reagieren. Welche Urteile gibt es da, vielleicht auch welche Vorurteile und welche Fragen werden da häufig gestellt. Aber jetzt zunächst: Hallo Kjell!
Kjell: Hallo Anna, schön dass wir hier wieder zusammen unseren Podcast machen können.
Anna: Ich freu mich auch!
Kjell: Ja, heute haben wir auch ein spannendes Thema. Denn in der letzten Folge haben wir ja darüber gesprochen, wie du, Anna, dich selbst als Dev siehst. Jetzt würde mich natürlich nochmal interessieren: Wie würdest du denn gern gesehen werden? Gerade von Behinderten, wenn das jetzt vielleicht auch Leute sind, die dich potentiell interessieren.
Anna: Ja, das ist eine spannende Frage! Dieses potentiell interessieren, weil es ja durchaus nicht so ist, dass mich alle Menschen mit einer Behinderung sofort interessieren. Es ist aber auch so ein Gedanke, den Leute manchmal haben: “Oh, ich habe eine Behinderung, ich falle jetzt irgendwie in ihr Beuteschema. Nimm mich, hier bin ich.” Also ganz so ist das ja jetzt nicht. Es gibt da jetzt natürlich vielleicht auch von den Behinderungen her Unterschiede, was ich jetzt besonders spannend finde, aber insgesamt ist es gar nicht so, dass das nur auf dieser Behinderung fußt, was ich da interessant finde. Es ist wie eigentlich in jeder Beziehung und in jedem menschlichen Kontakt, spielt das Äußere vielleicht eine Rolle, hier oder da, aber da gibt es noch ganz andere Werte. Also, wie sehr ist man denn auf derselben Wellenlänge, wie gut versteht man sich, hat man Themen, die einen verbinden, über die man gut sprechen kann. Und auch sonst ist die Devness, das hatte ich beim letzten Mal auch schon so ein bisschen angedeutet, gar nicht unbedingt immer und ausschließlich sexuell.
Kjell: Das ist ganz lustig, da habe ich tatsächlich so eine kleine Anekdote. Wo du das gerade erwähnst. Ich habe mal in der Vergangenheit jemandem, einer Frau, die sich auch als Dev gesehen hat, ein Video von mir selbst geschickt. Ich weiß nicht, ob man das jetzt hier so sagen kann, ich mache es einfach mal: Da habe ich mich beim Masturbieren gefilmt. Und was ich ganz spannend fand: Wir haben im Nachhinein über dieses Video gesprochen und ich hab dann gelernt, dass sie sagte “Das, was du da gemacht hast, das hat mich jetzt gar nicht so sehr im Detail interessiert. Und die nackte Haut und jetzt irgendwie das, was man da vielleicht sehen konnte oder nicht sehen konnte, das war jetzt gar nicht so spannend. Was mich viel mehr interessiert hat, das waren deine Handbewegungen und das ganze Drumherum.” Das hat mir nochmal so ein Stückweit vor Augen geführt, etwas, was ich eigentlich schon wusste, dass auch der sexuelle Aspekt von Devness gar nicht unbedingt in dieses klassische Schema von Sex, Sexualität, wie man das vielleicht typischerweise irgendwie einordnen würde, reinpassen muss. Geht dir das auch so?
Anna: Ja, das kann ich total nachvollziehen. Also dass es gar nicht immer um diesen klassischen Penetrationssex geht oder um das klassische, was von Menschen jetzt als heiß wahrgenommen wird, als Vorspiel, oder eben auch als der Sexualakt an sich. Da kann ich vielleicht auch nochmal kurz drauf eingehen. Wir haben ja eine Rückmeldung bekommen zum Logo von Rollirotik. Wenn ihr schonmal auf unsere Webseite geschaut habt, da gibt es ein Logo, was so ein bisschen diese stilisierte Form des Rollstuhlfahrers ist, wie man ihn auch manchmal auf Parkplätzen für Rollstuhlfahrer sieht. Und darauf sitzt eine zweite Person, also auf dem Schoß des Rollstuhlfahrers. Das ist das Logo und die Rückmeldung war, dass es den Eindruck erweckt, es ginge im Podcast nur um Sex. Das stimmt, das mag den Eindruck erwecken, aber wir können schon sagen, dass es auch noch andere Aspekte gibt. Sex ist ein zentraler Aspekt, Sexualität ist ein zentraler Aspekt von dem, worüber wir hier sprechen. Aber insgesamt ist das Thema ja noch viel breiter. Da gibt es auch die Frage der romantischen Gefühle, da gibt es die Frage, wie gut man zueinander passt. Da gibt es die Frage, wie funktioniert denn das, so eine Beziehung zwischen Menschen mit Behinderung und Devs. Also da ist Sexualität tatsächlich ein Aspekt, und ein zentraler, aber nicht der einzige.
Kjell: Es ist ja auch nicht damit getan, dass sich dann irgendjemand auf den Schoß von einem Rollstuhlfahrer setzt und dann haben wir Sexualität und Behinderung erlebt. Das wäre vielleicht ein bisschen zu flach und würde dem Thema sicherlich auch nicht gerecht. Zumindest nicht so, wie wir es hier auch darstellen wollen. Aber du hast jetzt gerade gesagt, romantische Gefühle, vielleicht nochmal: Was gibt es denn für dich noch da, was dir irgendwie ganz wichtig wäre, auch dass es vielleicht aus Sicht von Behinderten gesehen wird, dass Devness mehr ist als Sex.
Anna: Genau, Devness ist mehr als Sex. Das spielt sich für mich auch sehr im Alltag ab, wird aber häufig nicht so gesehen. Also, wir haben das das letzte Mal ja so definiert, was ist eine Dev und wir haben gesagt, das ist ein Mensch, der eine sexuelle Vorliebe hat für Menschen mit Behinderung. Und das ist halt das zentrale, was man erstmal so sieht oder was man hört, wenn man das erste Mal mit dem Thema in Berührung kommt. Und das ist glaube ich auch häufig der Ausgangspunkt für eine erste Meinung, die über das Thema in den Kopf kommt. Gerade bei Menschen mit Behinderung, die das erste Mal davon hören. Ich glaube, das ist ja auch schon immer ein krasser Moment, wenn man das erste Mal hört: “Hey, da gibt es Leute, die auf Menschen mit Behinderung stehen und ich bin ja einer, was habe ich denn dazu jetzt für eine Meinung?”
Kjell: Ich könnte mir vorstellen, dass es da auch ganz häufig zu diesen Vorurteilen dann irgendwie kommt, die zumindest ich dsa eine oder andere Mal gehört habe. So Vorwürfe gegen Devs, dass das alles so raubtierhafte Wesen sind, die dann Behinderte stalken und verfolgen und irgendwie ausnutzen, ausbeuten wollen. Das sind ja krasse Vorwürfe. Verletzt dich sowas, Anna, wenn du sowas hörst?
Anna: Genau, wir sind sehr, sehr gefährlich, das muss man schon dazu sagen [lacht]. Nein, also die Reaktionen kann man vielleicht grob in drei Gruppen einteilen. Also zum einen gibt es natürlich diese ablehnenden Reaktionen, die du jetzt gerade auch so ein bisschen geschildert hast, da gibt es auch noch mehr, die vielleicht nicht so sehr in diese gewalttätige Richtung gehen. Es gibt aber auch Leute, die einfach sagen: “Ja, das ist okay, dass es das gibt” und eine Akzeptanz haben. Und zum Schluss gibt es auch, und das ist vielleicht ja auch meine Lieblingsreaktion, Menschen, die einfach das auch super finden, dass es Devs gibt und die da richtig viel damit anfangen können. Vielleicht kann ich einfach von allen drei Sachen mal ein bisschen was erzählen.
Kjell: Ja, klar, gerne. Aber ich glaube, vielleicht nochmal kurz die Frage, gerade dieses Ablehnende, wenn du das so hörst, dass Leute da so negativ drüber reden: Was macht das mit dir? Ist das irgendwie verletzend, identifizierst du dich damit oder sagst du dann, nee, das bin ich ja nicht?
Anna: Ich glaube, das ist schwierig, sich nicht damit zu identifizieren. Weil zum Schluss kennen mich die Personen vielleicht nicht persönlich, aber sie verurteilen halt eine Personengruppe, zu der ich mich zugehörig fühle. Und klar ist das auf einer gewissen Ebene verletzend. Aber andererseits bin ich mir eigentlich auch einigermaßen sicher, dass viele dieser Vorwürfe auf mich nicht zutreffen und das ist ja auch der Grund, warum wir hier darüber sprechen. Dass wir einfach mal zeigen, ein bisschen das Thema beleuchten können und ein bisschen tiefer reinschauen können als was die oberflächlichen Vorwürfe dann vielleicht aussagen wollen.
Kjell: Ja, da man das jetzt vielleicht hier nicht so sehen kann, man hört uns ja nur. Also die Anna hat mich jetzt hier nicht an den Stuhl gefesselt und bedroht mich auch nicht mit einer Schusswaffe. Ich bin freiwillig hier und hab auch nicht das Gefühl, dass ich hier einer Bedrohung ausgesetzt bin. Aber vielleicht können wir ja nochmal so ein bisschen auf den Punkt Ablehnung eingehen. Was sind denn so die Aspekte, die dir bekannt sind, warum Behinderte jetzt sagen: “Nee, Devs finde ich irgendwie doof, damit will ich nichts zu tun haben.”
Anna: Genau, ich glaube der größte Aspekt, und das ist was, was ich immer wieder höre, ist, dass es einfach Personen gibt, die sagen “Ich möchte nicht, dass meine Behinderung als das zentrale attraktive Merkmal wahrgenommen wird.” Das finde ich auch okay, wenn das jemand so für sich entscheidet. Jeder kann ja selbst schauen, in was für einer Art von Beziehung fühle ich mich wohl. Und das wäre dann vielleicht für mich, also ich könnte jetzt ausschließen, dass das für mich ein passender Partner wäre, wenn jemand sagt “Das kann ich mir nicht vorstellen, mit jemandem zusammen zu sein, der die Behinderung oder zumindest den Aspekt, dass ich behindert bin, an mir attraktiv findet.” Aber das ist einfach ein Vorwurf, den ich sehr oft höre. Und was dahinter steckt, ist natürlich auch sehr, dass Menschen denken, dass sie auf die Behinderung reduziert werden. Also dass man irgendwie sagt, derjenige sieht nur die Behinderung oder geilt sich daran auf, dass ich im Rollstuhl sitze. Das ist auch einer der Vorwürfe, die häufig kommen. Da kann man vielleicht später noch etwas dazu sagen, inwieweit das gerechtfertig ist oder nicht.
Eine andere Angst, die Menschen haben, wenn sie von Devs haben, ist die Angst vor Ausbeitung oder Missbrauch. Gerade eben auch, dass man der vermeintlich stärkere Partner ist und deswegen den vermeintlich schwächeren Partner ausnutzen kann, vielleicht auch physisch überlegen ist und das ausnutzt. Ich glaube, das ist ein Vorwurf, der nicht so sehr in der Realität vorkommt, weil Devs einfach, zumindest alle, mit denen ich bisher gesprochen hab, haben kein Interesse daran, wirklich eine physische Überlegenheit da auszuspielen oder irgendwie denjenigen dann so zu missbrauchen.
Kjell: Es ist ja auch ein ganz ähnlicher Vorwurf wie in die andere Richtung. Also zu sagen: “Du interessierst dich ja nur für mich wegen meiner Behinderung” und der andere sagt dann: “Du interessierst dich ja nur für mich wegen meines Geldes oder wegen, keine Ahnung, weil ich große Brüste habe” oder was auch immer das dann sein mag. Ich glaube, das ist ein Vorwurf, gerade wenn man ihn von außen macht, ist das sowieso immer sehr schwierig. Ich finde auch, in einer Beziehung sollte man das einfach nicht so darstellen. Ich glaube, das tut einem Partner enorm unrecht. Und du hast es ja gerade auch schon angesprochen, dass das ein Aspekt von mehreren ist und du mit jemandem, mit dem du sonst nicht kompatibel wärst, sicherlich nicht nur auf Grundlage einer Behinderung ein weiteres Interesse hättest.
Anna: Ja, genau. Und es gibt noch einen dritten Punkt, der so in dieses Ablehnungsspektrum fällt und der hat leider auch seine Berechtigung, würde ich sagen. Und zwar, ist das das, wie ich es jetzt vielleicht bezeichnen würde, Verhalten der schwarzen Schafe. Es gibt natürlich in jeder Personengruppe Leute, die irgendwie andere nicht so behandeln, wie sie das sollten. Also die Geschichten, die ich da oft höre, sind zum Beispiel Geschichten von Stalkern. Also Geschichten von Devs, die übergriffig machen und vielleicht dann heimlich Fotos machen von Menschen mit Behinderung. Also das ist so ein Aspekt, den ich häufig höre, wenn es um Rehamessen geht oder um andere Veranstaltungen, bei denen sich einfach natürlicherweise mehr Menschen mit Behinderung aufhalten. Das ist ein bisschen ein Sammelbecken auch für die Devs, egal ob das jetzt online oder offline ist, dass sie dort einfach sind, um sich vielleicht so ein bisschen eye candy zu holen. Das ist natürlich unschön und wenn man so gegen seinen Willen fotografiert wird oder sogar dann verfolgt wird, das ist überhaupt nicht entschuldbar. Und ich denke, das betrifft natürlich nur eine ganz, ganz kleine Menge von den Devs. Aber trotzdem sind das die, die dann im Diskurs relativ viel Raum einnehmen. Das ist sehr schade, aber ich denke, man muss sich auch bewusst sein, dass es diese schwarzen Schafe auch in anderen Personengruppen gibt.
Kjell: Ich stelle mir das auch schwierig vor, gerade für jemanden, der jetzt irgendwie das erste Mal von Devs erfährt und das dann auf so einem Wege erfährt. Ich bin dann, keine Ahnung, auf der Rehacare in Düsseldorf und auf einmal wird mir dann bewusst, dass da irgendwelche Leute sind, die Fotos von mir machen. Dass ich dann von dieser Personengruppe nicht automatisch ein super positives Bild habe und dann vielleicht auch gar nicht losgehe und mich damit näher befasse, sondern sage “Was sind denn das für welche?”, auch irgendwie nachvollziehbar. Auf der anderen Seite natürlich ein bisschen schade, dass diese schwarzen Schafe dann so dieses Gruppenbild prägen. Und du hast es ja auch gesagt, dass du dann auch das Gefühl hast, dass du als Teil dieser Gruppe dann mit denjenigen assoziierst wird, mit den schwarzen Schafen, die dann solche Grenzüberschreitungen begehen.
Anna: Ja, genau. Es ist vielleicht nicht zu entschuldigen, was da passiert. Man kann vielleicht eine Erklärung dafür finden, dass es halt auch diese Vorliebe zu haben, schwierig ist, in der Realität einfach umzusetzen. Also der Datingpool ist halt sehr klein und da neigt man vielleicht eher zu solchen, zu so einem übergriffigen Verhalten. Aber da muss man einfach auch sehen, dass man sich da so verhält, wie man es in jeder anderen Situation auch tun würde und nicht einfach Leute ausnutzt oder heimlich beschattet.
Kjell: Zum Glück betrifft das ja nur einen kleinen Anteil der Dev-Community, wie du gesagt hast. Und wir hoffen mal, dass es zumindest genügend Behinderte gibt, die sich dann auch irgendwie die Zeit nehmen und das vielleicht ein bisschen genauer verstehen wollen. Und zumindest zum Thema Stalking dann nicht die allzu schlechten Erfahrungen gemacht haben und noch einigermaßen offen Devs gegenüber sind.
Du hattest gesagt, es gibt auch Leute, die reagieren mit Akzeptanz. Wie ist denn das?
Anna: Also dann kommen wir mal zu den angenehmeren Themen. Es gibt Leute, die reagieren mit Akzeptanz. Einfach so: “Oh Mensch, das ist ja interessant, das habe ich noch nie gehört.” oder “Erzähl doch mal ein bisschen was davon.” Oder sie sagen, und das habe ich auch schon erlebt, dass jemand sagt: “Aha, ist ja interessant, was du da für Vorlieben hast, interessiert mich jetzt nicht, aber mach ruhig, wenn dir das was gibt, warum nicht.” Das ist eine Reaktion, mit der ich sehr gut leben kann. Ich kann ja vielleicht nicht alles nachvollziehen, was andere Menschen interessant oder attraktiv finden.
Die Reaktion, wo ich noch ein bisschen mehr Erfahrung habe, ist dann vielleicht auch die dritte. ich habe ja gesagt, es gibt auch Leute, die total begeistert sind davon, dass es Devs gibt. Das freut mich, das freut mich wirklich. Also einerseits, weil natürlich diese ganzen negativen Reaktion auch was mit meinem Selbstbild machen und das sehr, sehr gut tut, positive Reaktionen dazu zu haben. Und andererseits weil ich einfach das auch gut nachvollziehen kann, weil es für mich in so einer Situation genauso ist. Es ist immer eine besondere Situation, wenn Devs und Behinderte aufeinander treffen. Wenn das von beiden Seiten positiv aufgenommen wird, dann ist es einfach ein wunderbares Ergebnis. Vor allem deswegen, weil für beide Seiten die Situation anderweitig nicht erlebbar ist. Das ist nichts Austauschbares. Wenn man sich vorstellt, dass vielleicht der Partner mit Behinderung nicht so oft vorher erlebt hat, wenn der Körper wirklich ehrlich begehrt wird. Und wenn der oder die Dev das nicht so oft vorher erlebt, wie es ist mit jemandem zusammen zu sein, den man wirklich tiefgründig attraktiv findet. Das ist ein super schönes Gefühl und für mich eigentlich durch nichts zu ersetzen.
Kjell: Das ist ja auch eine schöne Sache. Also ich persönlich finde es einfach auch schön, wenn mich jemand attraktiv findet. Und ich glaube, das haben ganz viele Leute, ganz viele Menschen, die einfach sagen: “Ich möchte einfach auch mal so angenommen und akzeptiert und attraktiv gefunden werden, wie ich nunmal bin. Vielleicht auch gerade mit Dingen, die ich an mir selbst nicht so toll finde.” Aber da gehört natürlich auch ein gewisses Selbstbewusstsein dann dazu, um das so annehmen zu können.Ich habe gerade nochmal darüber nachgedacht, du hattest ja von den Leuten gesprochen, die dann Behinderten nachstellen und Fotos von denen machen. Grundsätzlich kann ich aus so einer persönlichen Perspektive das zwar nachvollziehen, wenn das jemanden sehr, sehr stört und sagt: “Das geht irgendwie gar nicht.” Auf der anderen Seite würde ich mir jetzt so denken, wenn jemand von mir irgendwo im Internet ein Foto finden würde und sich das anschaut und sich dann dazu irgendwelche Gedanken und Fantasien macht, dann berührt mich das ja erstmal überhaupt nicht. Das kriege ich ja im Zweifel gar nicht mit. Und wahrscheinlich wäre ich da auch einigermaßen entspannt.
Aber wo wir bei diesem Thema Begeisterung sind, Anna, würde mich nochmal interessieren: Ist das auch mal zu viel? Also dass Leute dann irgendwie zu begeistert sind, dass es Devs gibt?
Anna: Naja, eigentlich nicht. Also ich bin da total froh, wenn es Leute gibt, die es interessiert, die Fragen dazu stellen, die irgendwie begeistert sind, dass es uns gibt. Das finde ich, gibt es eigentlich nicht. Es gibt natürlich so Leute, die irgendwie offensiv nach Devs suchen und der Meinung sind, dass das die Lösung aller ihrer Probleme darstellt. Ganz so ist es dann vermutlich im Einzelfall auch nicht, weil wie gesagt dann eben auch noch mehr dazugehört als irgendeine Vorliebe.
Kjell: Da geht es wahrscheinlich auch wieder stark in die Richtung, wo werden dann auch Grenzen überschritten. An jemandem Interesse äußern, ist sicherlich okay. Wenn das dann irgendwie überhand nimmt, kann es auch mal nervig sein. Ich glaube, für mich wäre das dann irgendwie sowas, wo mir dann Leute persönlich nachstellen, was ich wahrscheinlich dann auch einfach als absolutes No-Go sehen würde. Ich glaube, was mich auch ein bisschen stören würde, wenn ich mit jemandem zusammen wäre und diese Person mich so wissentlich und absichtlich darüber im Unklaren lässt, dass er oder sie jetzt irgendwie meine Behinderung attraktiv findet. Das fände ich irgendwie ein bisschen schwierig. Hast du damit Erfahrung?
Anna: Ja, da gibt es natürlich auch immer mal eine Diskussion: Wann sage ich es? Das ist von meinem Standpunkt aus eigentlich eine sehr klare Frage. Für mich würde es überhaupt nicht in Frage kommen, das jemandem vorher nicht zu sagen. Ganz egal, ob ich jetzt einen Partner habe, der eine Behinderung hat oder nicht. Das ist einfach für mich so ein zentrales Merkmal von mir selbst, dass ich sage: Ich kann das einem Partner, selbst wenn das nur ein kurzzeitiger Partner sein sollte, nicht verschweigen. Erstens kann ich das mir selbst nicht antun und zweitens kann ich es vor allem auch dem Partner nicht antun, das nicht zu sagen. Es sollte ja dann doch jeder die freie Entscheidung, ob er oder sie das gut findet und ob er oder sie sich so eine Beziehung oder so einen Kontakt überhaupt vorstellen kann unter den gegebenen Voraussetzungen. Ich glaube, eine Beziehung auf Augenhöhe, ein Kontakt auf Augenhöhe kann nur zustande kommen, wenn da die Karten auf dem Tisch liegen.
Kjell: Was ich so aus persönlicher Anschauung und Erfahrung da irgendwie noch sehen würde als Aspekt, ist: Es gibt ja vielleicht auch Devs, denen das noch gar nicht ganz bewusst ist, oder die noch nicht so mit sich selbst im Reinen sind und das irgendwie für sich noch nicht angenommen haben. Du hast das ja jetzt für dich beschrieben, dass das für dich sehr klar ist und dass das für dich ein sehr zentraler Aspekt von dir selbst ist. Vielleicht trifft das nicht auf alle Leute zu und ich könnte mir vorstellen, gerade bei denjenigen, die da einfach noch nicht soweit sind, das auch vor sich selbst einzugestehen und anzunehmen und sich selbst damit zu akzeptieren, ist es sicherlich noch ungleich schwieriger, dann einem Partner zu sagen: “Hey, übrigens, ich stehe auf deine Behinderung.”
Anna: Das stimmt, wobei ich auch nicht empfehlen würde, wenn man das für sich selbst noch nicht akzeptiert hat, da in eine Partnerschaft zu gehen. Das ist einfach auch ein großer Schritt. Und das macht ganz viel mit einem, wenn man dann plötzlich in einer Beziehung ist mit einem Partner mit Behinderung. Wenn man mit sich selbst da noch nicht im Reinen ist und noch gar nicht so richtig weiß, ob man das für sich selbst akzeptiert, ob das okay so ist, ob man damit leben kann, wie man damit leben will, ob man das überhaupt in die Realität umsetzen möchte, dann ist es glaube ich schwierig, in so eine Beziehung zu gehen.
Kjell: Ja, das kann ich mir vorstellen. Es erfordert sicherlich von beiden Seiten auch einfach eine gewisse Reife und ich denke auch aus der Perspektive des anderen Partners. Also ich würde auch sagen, ich hatte sicherlich eine Zeit in meinem Leben, in der ich noch nicht so weit war, dass bereit gewesen wäre für eine Beziehung mit einer Dev. Im Sinne von: das Verständnis darüber und auch mein Selbstbild und soweit mit mir selbst im Reinen zu sein, dass ich sagen kann: Ich habe genügend Selbstbewusstsein, dass ich mich auf so eine Beziehung einlassen kann. Ich habe auch manchmal den Eindruck aus so Erfahrungen, die ich manchmal von Leuten berichtet bekomme, dass es auch tatsächlich einige Behinderte gibt, die dann sagen: “Oh, das ist ja super spannend”, sich dann darauf einlassen und dann zu früh merken, oder vielleicht auch zu spät merken, dass sie sich damit überfordern und dann irgendwie mit dieser Situation überfordert sind und damit irgendwie nichts anfangen können, vielleicht verletzende Dinge sagen oder auch wieder ihrerseits Grenzüberschreitungen begehen. Hast du sowas schonmal erlebt, dass irgendwie Leute dich dann schlecht behandelt haben?
Anna: Ja, das hab ich tatsächlich auch schon erlebt, dass es einfach demjenigen vorher gar nicht so richtig klar war, was es bedeutet, eine Dev als Partnerin zu haben bzw. was überhaupt diese Devness bedeutet. Also alles das, worüber wir hier sprechen. Das ist dann teilweise den Leuten auch nicht bewusst. Und klar, versuche ich das vorher immer zu kommunizieren, versuche schon auch zu kommunizieren, was es bedeutet, was es dann für Auswirkungen haben wird, was dann die Bedürfnisse und auch die Dinge sind, die man berücksichtigen will oder möchte. Aber trotzdem, das ist ja keine Garantie dafür, dass es dann nachher funktioniert. Und gerade die Sichtweise, dass die Devness vor allem ein sexuelles Bedürfnis ist, ist ja doch sehr weit verbreitet und solche Menschen sind mir durchaus auch begegnet und, ja, ich kann schon sagen, das funktioniert dann einfach nicht gut.
Kjell: Ich denke für beide Seiten ist das so, genau. Jetzt aber bei dem Thema Grenzüberschreitungen auch nochmal zurück. Gibt es für dich denn sowas wie Fragen oder Kommentare, wo du sagst: Die muss ich echt nicht mehr hören von Behinderten?
Anna: Also es gibt natürlich sehr viele Fragen, die mir immer wieder gestellt werden und ich bin auch wirklich froh über jede Frage, weil das ja bedeutet, dass ich auch die Chance bekomme, das irgendwie so darzustellen, wie es sich für mich anfühlt, wie es sich in meinem Leben darstellt. Deswegen gibt es jetzt eigentlich nicht so viele Fragen, wo ich sage, die möchte ich nicht mehr hören.Es gibt eine Frage, die immer mal wieder auftaucht und die ich so ein bisschen schwierig finde, und zwar ist das diese Frage: “Was wäre denn, wenn dein Partner plötzlich wieder laufen kann?”Das ist eine Frage, da steckt ganz viel dahinter. Eigentlich steckt die Angst dahinter, dass die Devness sich so stark in den Vordergrund drängt, dass alles andere, abgesehen von der Behinderung, keine Rolle mehr spielt. Also dieses typische: “Reduziert mich der Partner auf meine Behinderung?” Und das ist eine Angst, die viele Menschen haben und die muss man auch ernst nehmen, weil es durchaus sein kann, dass – gerade so am Anfang – diese Attraktivität des Menschen sogar ein bisschen überfordernd ist, dass man erstmal schauen muss, wo steht man denn hier, wie kann man das Ganze denn jetzt zu einer gesunden Beziehung wachsen lassen? Und diese Angst, die kann ich nachvollziehen. Aber ich glaube, man muss auch da wieder sehen, dass die Vorliebe für ein äußeres Merkmal einfach nicht alles ist, was bei menschlichem Kontakt eine Rolle spielt. Auch da muss man sagen, es geht einfach noch um ganz andere Dinge: Wie gut ist man zusammen auf einer Wellenlänge. Und eigentlich ist es sogar ein bisschen verwunderlich, dass man das immer wieder sagen muss. Also das ist ja bei allen anderen Beziehungen auch so. Es muss halt sowohl im Alltag passen, als auch im Bett.
Kjell: Alltag ist ein gutes Thema, ich glaube, da werden wir auch in unserer nächsten Episode nochmal ein bisschen darauf eingehen, was es denn da vielleicht für Herausforderungen im Alltag geben kann. Eine Sache, die ich jetzt zum Abschluss nochmal gern sagen würde, das kam mir neulich nochmal, dass jemand davon berichtete, dass wohl in bestimmten Kreisen von so Reha für Querschnittsgelähmte regelmäßig Warnungen vor Devs gibt. Hast du davon schonmal gehört, Anna?
Anna: Ja, klar, es gibt natürlich auch im Internet einige Orte, an denen wir einfach nicht gern gesehen sind oder aktiv ausgeschlossen werden. Verschiedene Foren, die sich mit Behinderung oder Themen um Behinderung beschäftigen, die sagen: “Okay, wir wollen hier keine Amelos haben, bitte respektiert das.” Das gibt es durchaus und Warnungen gibt es auch, ja. Es gibt auch immer mal wieder Menschen, die ihre negativen Erfahrungen mit Devs in Warnungen verpacken oder das in einer besonders reißerischen Art darstellen. Das ist mir durchaus schon ab und an untergekommen.
Kjell: Das ist eigentlich ein bisschen absurd, wenn wir so darauf gucken. Letztes Mal hatten wir darüber gesprochen, es geht in die Richtung sexuelle Orientierung. Dankenswerterweise wird ja heute auch nicht mehr vor Schwulen und Lesben gewarnt. Vielleicht kommen wir dann irgendwann auch mal dahin, dass wir nicht mehr vor Devs warnen müssen. Zumindest, denke ich, haben wir heute ganz gut so ein paar Aspekte auseinandergenommen, bei denen man ganz gut sehen kann, dass es vielleicht nicht unbedingt einer Warnung bedarf. Trotzdem ist es natürlich legitim, wenn Leute sagen: “Nein, das möchte ich jetzt nicht unbedingt in meinem Leben haben.” Ich für mich selbst kann sagen, mir gibt es eine neue Perspektive auf Behinderung und ich würde tatsächlich auch anderen Behinderten raten, sich nicht zu sehr durch negative Vorurteile beeinflussen zu lassen und sich einfach mal mit Menschen wie Anna zu unterhalten und zu merken: ganz so raubtierhaft sind die meistens nicht.
Anna: Ich beiße nur selten.
Kjell: Alles klar. In diesem Sinne würde ich sagen: Wir hören uns beim nächsten Mal wieder und wir freuen uns auf euch. Bis dahin, tschüß!
Anna: Tschüß!
Hi danke für den Podcast einen Aspekt aus der ersten Folge
Ihr habt über die Abgrenzung von Fetisch, Begehren oder sexuelle Orientierung Anna sagte sie würde von sexueller Orientierung sprechen find etwas schwierig erstens ich hab den Unterschied zwischen Fetisch und Begehren noch nie verstanden ist nicht jedes körperliches Merkmal das Begehren auslöst ein Fetisch. Devnis als sexuelle Orientierung zu sehen macht Beeinträchtigung zu einem Gender und das find ich schwierig.. wie steht ihr dazu es als sexuelle Identität zu sehen?
Hi Daniel, und danke für deinen Kommentar!
Die Antwort ist gar nicht so einfach. Du hast eventuell gemerkt, dass wir uns mit der Definition insgesamt ein bisschen schwer getan haben. Gerade weil es so individuell ist. Wer sich mit den genannten Begrifflichkeiten näher, vielleicht sogar wissenschaftlich beschäftigt – was weder Anna, noch ich tun – könnte das sicherlich besser und präziser erläutern.
Für mich war der Unterschied zu einem Fetisch, dass der Sexualität ergänzt. Einfach gesagt: Wenn ich auf Netzstrumpfhosen stehe, wird mein sexuelles Empfinden gesteigert, wann immer meine Partnerin welche trägt. Trotzdem genieße ich Sex mit ihr auch, wenn sie keine trägt. Die sexuelle Orientierung hingegen würde bedeuten, dass Sexualität ohne den “passenden” Partner mit einem spezifischen Merkmal nicht oder nur sehr eingeschränkt stattfindet. Gender hatten wir dabei gar nicht im Fokus, höchstens als behelfsmäßige Erklärung: Genau wie heterosexuelle Menschen sich nicht romantisch oder sexuell zu Personen des gleichen Geschlechts hingezogen fühlen, geht es manchen (nicht allen) Devs so mit Nicht-Behinderten.
Ich denke, dass am Ende jede/r Dev für sich entscheiden muss, was es ist und welchen Namen er oder sie diesem Empfinden gibt. Mit sexueller Identität könnte ich auch gut leben, wenn das jemand für sich so definiert.
– Kjell
Hey Daniel,
danke für den Kommentar! Ich habe auf der Grundlage ein bisschen zur Terminologie recherchiert, da ich nicht den Eindruck erwecken möchte, Behinderung als Gender zu sehen. Allerdings möchte ich gern ausdrücken, dass es bei der Devness sehr viele Parallelen zu anderen sexuellen Orientierungen gibt.
Besonders wichtig ist es mir, klarzustellen, dass es keine freie Entscheidung ist, genauso wenig wie man sich entscheidet, homosexuell zu sein. Außerdem habe ich gemerkt, dass meine eigentliche sexuelle Orientierung, die ich eher als heterosexuell beschreiben würde, vor der Devness in den Hintergrund tritt und gar nicht mehr so stark ins Gewicht fällt oder teilweise sogar “überschrieben” wird. Ob das bei sexueller Identität auch so verstanden wird, konnte ich nicht herausfinden.
Was für die Bezeichnung der sexuellen Identität spricht, ist, dass damit auch andere nicht-genderbezogene Sexualitäten, wie etwa Asexualität, abgedeckt werden. Tatsächlich habe ich einige Zeit gedacht, ich sei asexuell, weil mich Menschen einfach sehr wenig sexuell interessiert haben. Das hat sich später geändert, als ich gemerkt habe, welche Menschen mich sexuell interessieren und dass es einfach so ungewöhnlich ist, dass man da eine Weile braucht, um es für sich selbst zu verstehen.
Genau diese Ungewöhnlichkeit oder eben auch die Tatsache, dass Devs doch relativ selten sind, ist es, die eine genaue begriffliche Einordnung schwierig macht, denke ich. So ein Phänomen ist eben so selten, dass bei der Prägung solcher Begriffe darauf keine Rücksicht genommen wird, verständlicherweise. Vielleicht wäre Devness auch noch als etwas ganz anderes zu sehen, das weder eine sexuelle Orientierung noch sexuelle Identität ist?
– Anna
Danke für eure Kommentare Ich als behinderte Person hoffe das die Ablehnung von Devnes zurück geht ich freu mich auf die neue Folge